.news 08/2016

IM GARTEN DER LÜSTE
Fast auf den Tag genau fünfhundert Jahre nach der feierlichen Beisetzung von Hieronymus Bosch am 9. August 1516 wird in Kirchheimbolanden die Ausstellung IM GARTEN DER LÜSTE der Düsseldorfer Künstlerin Gesine Kikol (geb. 1976) eröffnet. Frisch aus dem Atelier werden die Zeichnungen, gefaltete Papierarbeiten und Acrylgemälde der Öffentlichkeit vorgestellt, die das Ergebnis einer mehrmonatigen Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Werk des großen niederländischen Malergenies sind.

Gesine Kikol ließ sich insbesondere durch die Mitteltafel des großen Triptychons „Der Garten der Lüste“ inspirieren, der um 1503 als Hochzeitsbild für Heinrich III von Nassau und Breda (Breda war der Hauptsitz der Nassauer in den Niederlanden), für dessen Vermählung mit Françoise Louise de Savoie in Auftrag gegeben wurde. Es ist das größte (2,20 m x 4,00 m), berühmteste und gleichzeitig das umstrittenste Werk von Hieronymus Bosch, dessen Interpretation bei weitem nicht abgeschlossen ist.

Die Außenflügel zeigen die Schöpfung der Welt bis zum dritten Tag, die linke Innentafel das Paradies, die rechte Innentafel die Hölle. Die Mitteltafel behandelt die biblische Thematik der Menschheit vor der Sintflut und bezieht sich auf den Text aus dem Alten Testament „Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war“ (Genesis 6, 1-5).

Die Ausstellung im Kunstraum Holzmann zeigt mit Zeichnungen, Skizzen und Faltarbeiten aus Papier den kreativen Weg nach, der schließlich zu den großformatigen Acrylbildern führt, die hier ebenfalls, wie auch im zweiten Teil der Ausstellung im Hotel Braun – ART Hotel, zu sehen sind.

Selbstreflexion und Transparenz kennzeichnen die Schaffensweise der Düsseldorfer Künstlerin, die parallel zur Atelierarbeit als Hochschuldozentin für Malerei und Zeichnung tätig ist, unter anderem an der Kunstakademie Düsseldorf, an der sie Freie Kunst studierte und im Jahre 2006 als Meisterschülerin von Prof. Jörg Immendorf den Akademiebrief erhielt.

Kenntnisreich und gleichzeitig intuitiv als Malerkollegin verarbeitet Gesine Kikol „ihren“ Hieronymus Bosch und öffnet dem Ausstellungsbesucher mit den neuen Arbeiten intellektuelle und andere Türen zu den tiefgründigen Bildwelten des alten Meisters. Wer sich auf die symbolische, kulturhistorische, moralphilosophische Bedeutung von Erdbeeren, Einhörnern, Hasen und Fröschen versteht, wird IM GARTEN DER LÜSTE mehr sehen als ein banales „Wimmelbild“ voller nackter Menschenpaare beim Geschlechtsakt.

Die großformatigen Bilder im Hotel Braun – ART Hotel bilden einen Kontrapunkt zu den Werken im Kunstraum Holzmann. „Ich wollte ja so etwas wie Barock-Stillleben malen, habe ziemlich viel Zeug gekauft dafür, Austern, Früchte, einen Fisch usw. Das hat mir aber alles nicht gefallen, weil es irgendwie ohne Zusammenhang war und nichts mit mir zu tun hatte. Dann habe ich gedacht, ich nehme einfach die Gegenstände aus den Bildern des „Gartens der Lüste“. Dort, wo sonst Leben ist, im Hotel, wollte ich eine Erinnerung an die Vergänglichkeit, mit dem (Barock)-Thema Vanitas. Daher habe ich jetzt auf den neuen Bildern den Hasen getötet, die Erdbeeren sind verschimmelt, vom Einhorn ist nur noch das Horn übrig geblieben, und der Mensch ist ganz verschwunden. Totale Vanitas!“, schreibt die Künstlerin.

Die Ausstellung IM GARTEN DER LÜSTE zeigt nicht nur bemerkenswerte zeitgenössische Positionen fernab der Kunstmetropolen, sondern verdeutlicht einmal mehr die hohe Aktualität von Kunstwerken längst vergangener Zeiten. IM GARTEN DER LÜSTE ist ein weiterer wertvoller Baustein im großen Mosaik der Revitalisierung des barocken Kulturerbes, Lernschritt in einem nachhaltigen Prozess, der immer wieder neue Blickwinkel eröffnet.

Günter Minas, Publizist, Psychologe und Kunstmanager aus Mainz, führt um 18:00 Uhr im Kunstraum Holzmann in die Ausstellung ein. Um 20:00 Uhr setzt sich die Eröffnung im Hotel Braun – ART Hotel fort. Die Künstlerin wird an beiden Standorten anwesend sein.

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